Der Aalschokker „Eugenie“, der vor dem Adlerturm im Rüdesheimer Fahrwasser seit vielen Jahren vor Anker lag, sollte 1993 verkauft werden. Diese Absicht des Eigners rückte in den Mittelpunkt des regionalen Interesses (siehe Zeitungsausschnitt), da der Aalschokker vor der Rheinfront der Stadt zu einem Wahrzeichen von Rüdesheim geworden und auf Postkarten der Touristenstadt dokumentiert war.
Die „Eugenie“ gehörte der Rüdesheimer Fischerfamilie Kloth, die mit diesem Schokker und zwei weiteren seit Jahrzehnten auf dem Rhein, zuletzt am Binger Loch, auf Aalfang ging. Hinter den Quarzitfelsen , den sogn. Lochbänken, lauerte der Schokker mit seinen Netzen auf die talwärts zum Laichen in die Sargassosee im Atlantik ziehenden Aale.
Als 1970 – 74 das Binger Loch auf 120 m verbreitert wurde, musste Hubert Kloth dort seinen Ankerplatz zum Fischen aufgeben und die Eugenie vor Rüdesheim verankern. Hier wurde sie vor dem Adlerturm zum viel fotografierten Wahrzeichen Rüdesheims (siehe Postkarte).
Hubert Kloth betrieb von da an die Fischerei auf dem Rhein nur noch gelegentlich von einer kleinen Motorbarkasse aus. In einem Seitental der Wisper begann er zusätzlich mit einer Forellenzucht.
Da die „Eugenie“ nicht mehr als Aalfänger eingesetzt werden konnte und die Verankerung vor Rüdesheim von den immer größer werdenden Hotelschiffen stark gefährdet war, ent-schloss sich Hubert Kloth 1993, die „Eugenie“ zu verkaufen.
Die Stadt Rüdesheim, ihre Gastronomen und Hoteliers wollten sie gerne als Wahrzeichen vor der Stadt erhalten, keiner wollte oder konnte jedoch den Kaufpreis von 10.000 DM auf-bringen und vor allem die Risiken und Folgekosten übernehmen. Ein Schiffahrtsmuseum vom Niederrhein meldete sich und wollte das Schiff kaufen und an Land setzen.
Schließlich hatte der Geschäfts- und Schriftführer des RYC das Gerangel um die „Eugenie“ satt und machte dem Besitzer mit Zustimmung des Vorstands ein Angebot. Dies beinhaltete auch einen kostenlosen Liegeplatz für des Fischers Barkasse „Marlies“ am Steg des RYC .
Per Telefon trieb der Schriftführer bei begeisterten Mitgliedern an nur einem Nachmittag die Kaufsumme von 7.000 DM als Spende ein.
Unter Beteiligung vieler Boote des RYC und der Presse wurde die „Eugenie“ in einem Ehrengeleit in den Rüdesheimer Hafen vom „Alter Grebel“ verschleppt und dort vor Kopf des Mittelschlengels verankert.
Als Wahrzeichen Rüdesheims vor der Rheinfront kann sie jetzt leider nicht mehr fungieren, aber der Stadt und ihrem schönen Hafen bleibt sie weiterhin erhalten.
Seitdem wird das Traditionsschiff von den Mitgliedern des RYC unterhalten, gepflegt und genutzt.
Dafür muss immer wieder Geld in die „Eugenie“ gesteckt und Arbeitsstunden müssen für Entrosten und Streichen aufgebracht werden. Auch der erste Werftbesuch, bei dem die Fischkästen durch neue Stahlplatten verschlossen wurden, beanspruchte die Clubkasse er-heblich. Sogar das Hess. Ministerium für Forsten und Naturschutz unterstützte das Projekt zur Erhaltung des einzigen noch schwimmenden Aalschokkers in Hessen durch einen Zuschuss von 1.000 DM.
Welcher Club weit und breit kann ein solch schönes Schiff aus der Tradition der Rhein-Schifffahrt und Fischerei vorweisen und es auch nutzen? Darauf kann der Club schon ein wenig stolz sein. Bleibt zu hoffen, dass auch die nächsten Generationen des RYC sich für dieses Stück Schifffahrtsgeschichte weiter begeistern und die „Eugenie“ pflegen und der Nachwelt erhalten wird.
Zur Fischerfamilie Kloth
Die Fischerfamilie Kloth, die Eltern des letzten Fischers Hubert Kloth, besaß in der 1. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts 3 Aalschokker auf dem Rhein:
das „Mariechen“ fischt heute noch an der Loreley
die „Eugenie“ im Rüdesheimer Hafen beim RYC
die „Diana“ leider verschrottet
Nach Berichten des Hubert Kloth kam die Aalfischerei erst Anfang des 20. Jahrhunderts am Rhein auf. Zunächst fischten Holländer mit ihren Schokkern, später dann deutsche Fischer bis zum Oberrhein. Zwischen Bingen und Koblenz sollen allein ca. 70 Aalschokker gefischt haben.
Ab Mai/Juni jeden Jahres beginnt der geheimnisvolle Aalzug der geschlechtsreifen Aale rheinabwärts zum Sargassomeer im Atlantik. Die beste Fangzeit ist der Herbst, pro Saison brachte es ein Schokker auf 70-80 Ztr. Aal. Hubert K. berichtet von einem Superfang 1945, wobei er in einer Nacht 20 Ztr. Aal im Binger Loch fischte.
Gerade nach dem Krieg war Fisch und besonders der Aal eine begehrte Speise. Die Leute rissen sich am Ufer gegenseitig die Fische aus den Händen. Das Rheinwasser war zu dieser Zeit sehr sauber, da die gesamte chem. Industrie am Rhein niedergebombt war und keine giftigen Abwässer in den Fluss gelangten!
Den ganzen Sommer über lebte die Familie Kloth auf ihren Schokkern, die im Strom am Rande des Fahrwassers verankert waren. Dort wurde auch Hubert Kloth und seine Zwillingsschwester Lilli im März 1928 an Bord der „Eugenie“ geboren.
Im Winter betrieben die Kloths Zug- und Stellnetzfischerei in den Stillgewässern und in Häfen des Rheins. Die Schokker wurden dann vor den Rüdesheimer Adlerturm und bei Eisgang in den Hafen verholt. Als kleiner Schlepper diente die Barkasse „Marlies“ mit einem nur 40 PS MWM Diesel als Antrieb (heute in Besitz von Mathias Schneider).
Mit der „Marlies“ ging Hubert Kloth auch noch einige Jahre nach dem Verkauf der „Eugenie“ auf elektrischen Aalfang. Da er einen kostenlosen Liegeplatz beim RYC hatte, versorgte er uns zu jeder Abfahrt mit frisch geräuchertem Aal aus dem Rhein. An Bord der Eugenie gab es dann stets Aal satt dazu Aalbourger und Baghuette. Einfach köstlich!
Zur Technik des Schiffes
Der Schiffstyp Schokker stammt aus Holland, wo er als Segler mit Seitenschwertern in der Küsten- und Binnenfahrt bis in die 30er Jahre zum Fischen und zum Gütertransport eingesetzt war. Heute segeln diese Schokker noch als Traditionsschiffe in den NL als Sport- und Charterschiffe in der sogn. „Braunen Flotte“ (wegen der gelohten Segel).
Auf dem Rhein wurde dieser Schiffstyp übernommen und zum Aalfang benutzt. Dazu benötigte man keine Segel und Seitenschwerter mehr, auch fehlte eine Maschine zum Antrieb. Der Aalschokker wurde zu seinem Fangplatz im Strom verschleppt und am Rande des Fahrwassers verankert. Mit Hilfe von Winden deren Zug über den hohen Mast geführt wurde, konnte man die schweren Netzbalken mit den Aalnetzen seitlich in den Strom ausbringen und wieder einholen.
- Länge: 16,80 m
- Breite: 4,60 m
- Tiefgang: 0,80 m
- Baujahr: 1927
- Bauwerft: Heinrich Bröhl / Mondorf
- Baumaterial: Stahl
- Maschine: keine
1994 wurde die „Eugenie“ auf Antrag des Clubs von der Schiffsuntersuchungskommis-sion Koblenz auf eine Wasserverdrängung von unter 15 t vermessen.
Damit ist es möglich, die „Eugenie“ mit dem clubeigenen Schlepper „Alter Grebel“ auf dem Rhein ohne Patent (mit dem Sportbootführerschein) zu verschleppen.
Zur heutigen Nutzung des Schiffes
Das ganze Jahr über liegt die EUGENIE am Kopf unseres Mittelsteges mit Anker voraus steuerbord längsseits. Gleich gegenüber befindet sich das Jollenfloß mit den Segeljollen unserer Kinder und Jugendlichen. Dieser Platz in unserer Anlage ist inzwischen das Zentrum der Clubjugend geworden. Die EUGENIE bietet unter Deck einen großen Salon als Jugend-Clubraum, Kojen zum Übernachten, eine Kombüse mit Herd zum Kochen, eine Toilette und jede Menge Stauraum für Segel und Material der Jugendabteilung.
An Deck trifft man sich zum Grillen, Feiern und Klönen am Abend – Erwachsene , wie auch Kinder und Jugend. Bei sommerlichen Temperaturen wird das Jollenfloß und die EUGENIE zum Badespaß im Hafen für Alt und Jung.
Wasserwanderer mit offenen Booten nutzen gerne die EUGENIE als schwimmende Herber-ge. So schätzen auch die Umweltaktivisten von Robin Wood unsere Gastfreundschaft, wenn sie auf der EUGENIE ein trockenes Plätzchen finden und nicht auf ihrem Floß übernachten müssen.
Auch wird die EUGENIE bei Bedarf zur Mariannen-Au verschleppt, wo sie den Jugendlichen als Tender und Herberge für die Nacht dient, während sie tagsüber mit ihren Jollen dort im Stillgewässer segeln können.
Schon zur Tradition ist die EUGENIE bei der jährlichen Anfahrt geworden, wenn sie mit Ge-tränken, Grill und Proviant an der Mariannen-Au verankert wird. Die Boote der Mitglieder gehen dann ins Päckchen und der Beginn der Bootssaison wird feucht-fröhlich gefeiert.
Der leider inzwischen schon verstorbene Fischer Hubert Kloth war sehr glücklich, als er seine EUGENIE in guten Händen wusste, sie zwar nicht mehr auf Aalfang geht, aber weiter schwimmt und zum Wohle der Jugend und unserer Clubgemeinschaft genutzt wird.
H.F.